18
Im großen und ganzen war Carroll Janes zufrieden mit all der Hektik. Nur zweimal hatte er zuschlagen müssen, und schon beherrschte er die Titelseiten der Zeitungen. Natürlich musste er sein beleidigendes Urteil über die Polizei Orlandos einschränken, denn ganz so dumm, wie er sie eingeschätzt hatte, waren sie nicht. Obwohl er auch seine zweite Strafaktion nicht vertuscht hatte, so hätten doch eine ganze Anzahl von Polizeistationen die Verbindung zwischen den beiden Morden nicht gewittert, immerhin hatte er beim zweiten Mal keine Finger abgeschnitten. Er war ziemlich erbittert, als die Vinick-Schlampe mit den Nägeln auf ihn losging und er gezwungen gewesen war, ihr die Finger abzuschneiden und verschwinden zu lassen; doch Finger waren klein, man konnte sie leicht loswerden. Hunde machten sich rasch darüber her, und die winzigen Knochen, die übrigblieben, waren nicht zu identifizieren.
Gegen ihn hatte die Polizei keine Chance; doch wenigstens wussten sie jetzt von ihm, und das gab dem Ganzen einen weiteren Reiz. Die Anerkennung war ein schönes Gefühl, beinahe so wie der Unterschied zwischen einem Schauspieler auf der Bühne vor einem leeren Theater und einem, der vor einer begeisterten Menge in einem überfüllten Haus sein Können bewies. Die kleinen Einzelheiten machten um so mehr Freude, wenn man wusste, dass die Polizei von seiner Intelligenz beeindruckt war, von seinem Erfindungsreichtum und seiner absoluten Perfektion, auch wenn sie darüber fluchten. Wie befriedigend war es doch zu wissen, dass der Gegner die eigenen Talente respektierte.
Die Mühe, ein weiteres Opfer für ein erneutes Experiment zu finden, hatte ihn frustriert, doch Janes sah sich selbst als einen sehr geduldigen Menschen. Was geschehen müsste, würde geschehen. Er würde sich selbst betrügen, wenn er die Dinge übereilte, es würde ihn der Machtsteigerung berauben. Seit die Nachricht der Morde an die Öffentlichkeit gelangt war, fühlte er sich besser; denn natürlich war es immer erhebend, über sich selbst in der Zeitung zu lesen, der Hauptgesprächsstoff der Unterhaltungen zu sein. Auch Annette, die mit ihm zusammen arbeitete, hatte kaum von etwas anderem geredet. Sie hatte ihm alles eingehend über die Vorkehrungen erzählt, die sie getroffen hatte, als würde er sich je von ihr herausgefordert fühlen, von diesem kleinen Ferkel. Aber es amüsierte ihn, seine Teilnahme zu heucheln, ihr noch mehr Angst einzujagen und sie zu immer größeren Sicherheitsmaßnahmen anzutreiben. Sie weigerte sich sogar, allein zu ihrem Wagen zu gehen, als hätte er je eine Frau von der Straße gezerrt. Wie langweilig so etwas wäre - innerlich lachte er über seinen Humor -, wo doch die wirkliche Herausforderung darin lag, seine Opfer in ihrem eigenen Haus zu überraschen, wo sie sich törichterweise sicher fühlten.
Am Mittwoch war Annette gerade in der Mittagspause, als eine große üppige Blondine zu seinem Schalter gesegelt kam, ihr Gesicht hochrot vor Ärger. »Ich möchte mit jemandem sprechen über die Bedienung in diesem Laden«, fuhr sie ihn an.
Janes bedachte sie mit seinem freundlichsten Lächeln. »Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein, Ma'am?«
Die Ursache ihres Problems war, dass sie sich in ihrer Mittagspause befand und fünfzehn Minuten lang in der Bekleidungsabteilung gewartet hatte, damit ihr jemand eine Bluse umtauschte. Sie war noch immer nicht bedient worden, und jetzt würde sie keine Zeit mehr haben, zu Mittag zu essen. Janes unterdrückte einen Anflug von freudiger Erwartung, während sie weiterschimpfte, ihre ganze Körperhaltung drückte Wut aus.
»Ich werde jemanden aus der Bekleidungsabteilung rufen und dafür sorgen, dass Sie sofort bedient werden«, sagte er. »Wie war doch gleich Ihr Name ... ?«
»Farley«, sagte sie. »Joyce Farley.«
Er warf einen schnellen Blick auf ihre Hand. Sie trug keinen Ehering. »Haben Sie ein Konto bei uns, Miss Farley ?«
»Mrs. Farley, bitte«, fuhr sie ihn an. »Was soll das heißen? Muss ein Kunde ein Konto haben, ehe er in diesem Unternehmen bedient wird?«
»Nein, keineswegs«, wehrte er höflich ab. Es war nur einfacher, Informationen über sie zu erhalten, wenn ihr Name im Computer gespeichert war. Bestimmt gehörte sie zu diesen stachligen, männerhassenden Feministinnen. Seine Vorfreude wuchs, er würde es genießen, sie zu bestrafen. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, darf ich Sie bitten, dieses Beschwerdeformular auszufüllen? Wir möchten gern alle Reklamationen aufnehmen, um sicherzugehen, dass unsere Kunden in Zukunft zufriedengestellt werden.«
»Ich habe wirklich keine Zeit mehr. Ohnehin komme ich schon zu spät zur Arbeit.«
»Dann sagen Sie mir doch bitte nur Ihren Namen und Ihre Adresse«, bat er. »Das andere werde ich dann selbst ausfüllen.«
Hastig kritzelte sie ihre Daten auf das Formular, während er die Abteilungsleiterin der Damenkonfektion anrief. Lächelnd legte er den Hörer wieder auf. »Mrs. Washburn wird Sie persönlich bedienen.«
»Das wäre auch wieder nicht nötig gewesen.«
»Da bin ich völlig einer Meinung mit Ihnen.« Er nahm das Formular an sich.
Sie wandte sich um und wollte gehen, doch dann blieb sie noch einmal stehen und wandte sich zu ihm um. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe schreckliche Kopfschmerzen und ärgere mich, aber das hätte ich nicht an Ihnen auslassen dürfen. Es war nicht Ihre Schuld, und Sie haben alles getan, was möglich war, um mir zu helfen. Ich entschuldige mich, weil ich so ausfällig geworden bin.«
Er war so erstaunt, dass es einen Augenblick dauerte, ehe er reagieren konnte. »Ach, das macht doch nichts. Unsere Kunden haben ein Recht auf beste Bedienung.« Das war die konventionelle Antwort, die tausendmal am Tag von Tausenden von gelangweilten Verkäufern ausgesprochen wurde; denn sie wussten, dass es sie den Job kosten würde, wenn sie ihre wirkliche Meinung äußerten. Mrs. Farley lächelte ihm abermals zu, dann ging sie.
Janes starrte ihr nach, Wut stieg in ihm auf. Zornig knüllte er das Formular zusammen und warf es in den Papierkorb. Wie konnte sie es nur wagen, sich zu entschuldigen! Sie hatte alles verdorben mit ihrer albernen Entschuldigung. Die Bestrafung war es, worum es ihm ging. Er fühlte sich betrogen, als hätte man ihm den Hauptgewinn genommen, der sozusagen schon in seiner Reichweite baumelte. Die bekannte Vitalität wollte sich bereits wieder Bahn brechen, das Bedürfnis erwachte, seiner Macht freien Lauf zu gewähren. Jetzt blieb ihm gar nichts! Er sollte die Schlampe trotzdem umbringen, um sie zu lehren, dass sie sich nicht einfach benehmen konnte, wie es ihr gerade passte und dann der Konsequenz entkommen, nur weil sie eine Entschuldigung jammerte.
Nein. Regeln waren Regeln. Er musste sie einhalten, denn wenn er das nicht tat, geriete er ins Schleudern. Es gab gewisse Kriterien für seine Orientierung, Standards, an die er sich halten musste Wenn er diese Standards nicht beachtete, dann hätte er es verdient, gefasst zu werden. Ganz gleich, wie sehr er sich auch wünschte, ihr eine Lehre zu erteilen - er musste sich aufsparen für die, die es wirklich verdienten.
Marlie saß ganz still an ihrem Schreibtisch und strengte sich an, das Zittern ihres Körpers in den Griff zu bekommen. Gott sei Dank handelte es sich um die Mittagspause, und beinahe alle hatten das Büro verlassen, um essen zu gehen. Sie hatte sich einen Imbiss mitgebracht und ein Buch, das sie die Stunde über in Ruhe lesen wollte. Sie war ganz in ihre Lektüre versunken und hatte dabei einen Apfel gegessen, als plötzlich ein dunkles Gefühl von Wut und Erwartung in ihr aufstieg. Es war nicht so überwältigend wie eine ihrer Visionen, doch hatte sie den Ursprung dieses Gefühls sofort erkannt. Ganz ohne Zweifel ging das eisige Böse wieder um. Und auf einmal war die Wut übergelaufen und die freudige Überraschung verschwunden. Statt dessen hatte sie Enttäuschung verspürt.
Sie kannte ihn. Seine geistige Kraft war nicht so stark in Erscheinung getreten, dass sie ihn wirklich hatte »sehen« können; aber sie wusste auch ohne zu sehen, dass er es war. Er hatte sein nächstes Opfer ausgewählt, und irgend etwas Unerwartetes hatte ihm seine sadistische Freude genommen.
Er war dort draußen. Und zwar auf der Jagd.
»Er sucht nach jemandem«, erzählte sie Dane an diesem Abend. Ruhelos lief sie im Zimmer auf und ab. »Ich habe ihn heute bemerkt.«
Dane legte die Zeitung beiseite, in der er gelesen hatte - und die voll war von reichlich hysterischen und hauptsächlich falschen Gerüchten über den Schlächter von Orlando -, und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Marlie. Sein Gesichtsausdruck wurde hart, sie hatte sich schon an seine Mimik gewöhnt und sah sie mit den Augen der Liebe; doch plötzlich erkannte sie ihn wieder als denjenigen, der ihr zum ersten Mal begegnet war: Dane Hollister, der Cop, Dane Hollister, ein gefährlicher Gegner.
»Was ist passiert?« fragte er, und seine Stimme klang scharf. »Wann ist es passiert? Warum hast du mich nicht angerufen?« Sie warf ihm einen flüchtigen Seitenblick zu, dann nahm sie ihre ruhelose Wanderung wieder auf. »Was hättest du denn tun können?«
Die Antwort musste »nichts« heißen, und sie sah es ihm an, dass ihm das nicht gefiel. »Es kam während meiner Mittagspause, ungefähr um halb eins. Ganz plötzlich war er da, ich fühlte seine Wut, aber er war auch aufgeregt, wie ein Kind, das sich auf eine Belohnung freut. Er hatte sich sein Opfer ausgewählt, das wusste ich. Und dann passierte etwas, ich weiß nicht, was, aber sie ist ihm entkommen, und er war enttäuscht.«
»Und dann?«
»Nichts. Ich konnte ihn nicht mehr fühlen.«
Dane beobachtete sie eingehend. »Aber du kannst sagen, wann er seine Beute ins Auge fasste ?«
Sie warf ihr Haar nach hinten. »Diesmal konnte ich es.«
»Und war sonst noch was? Kannst du irgend etwas über die von ihm anvisierte Person sagen?«
»Nein.«
»Schon der kleinste Hinweis wäre uns dienlich ... «
»Ich habe dir gesagt, nein!« schrie sie ihn plötzlich an und rannte ins Schlafzimmer. »Glaubst du nicht, ich hätte es versucht?«
Er bewegte sich schnell und geschmeidig wie ein Tiger. Noch ehe sie die Schlafzimmertür erreicht hatte, war er von der Couch aufgesprungen und hatte sie in seine Arme genommen. Von hinten griff er nach ihr, zog sie fest an sich. Jetzt erst fühlte er das Zittern in ihrem Körper, das sie seit dem Mittagessen nicht mehr verlassen hatte. »Es tut mir leid«, murmelte er und rieb sein stoppeliges Kinn an ihrer Schläfe. »Ich weiß, wie schwer das für dich ist. Wirst du damit fertig?«
Sie zögerte einen Augenblick, dann gab sie zu: »Ich fühle mich irgendwie gespenstisch.«
Zärtlich wiegte er sie in seinen Armen, gab ihr das Gefühl von Schutz und Stärke. Seit fast einem Monat lebte sie jetzt mit dieser Anspannung, und für sie war alles erheblich schlimmer als für ihn. Sie brauchte dringend eine Ablenkung. Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Möchtest du vielleicht ins Kino gehen?« fragte er.
»Das war auch beim letzten Mal dein Vorschlag«, meinte sie nervös. »Irgendwo hinzugehen.«
»Hat es denn geklappt?«
Ganz ungewollt entspannte sie sich ein wenig. Sie war schrecklich müde, es tat so gut, sich an ihn zu lehnen. »Das weißt du doch.«
»Dann lass uns ins Kino gehen. Gibt es einen Film, den du gern sehen möchtest ?«
»Ich weiß nicht.« Sie zögerte. »Seit dem ersten Vorfall bin ich nicht mehr im Kino gewesen.«
»Dann wird es aber Zeit. Ich habe seit Jahren schon keinen Film mehr gesehen. Was interessiert dich denn?«
»Läuft überhaupt etwas Interessantes?« Sie wandte sich zu ihm und lächelte ein wenig schief. »Ich glaube, lieber möchte ich bloß herumfahren.«
Er war erleichtert, als er fühlte, wie ihr Körper sich nach und nach lockerte. Er wäre am liebsten mit ihr ins Bett gegangen, doch sie war immer noch zu verkrampft, um das genießen zu können. »Mit Vergnügen!« Er verbeugte sich.
Die Dämmerung war schon angebrochen, als sie das Haus verließen; obwohl die Sonne bereits unterging, war es noch immer heiß, irgendwo in der Ferne grollte ein Donner. Dane kurbelte das Fenster herunter, fuhr auf den Highway und lenkte den Wagen auf die Küste zu, genau in das aufziehende Gewitter hinein. Die Wolkenbank ragte vor ihnen auf wie ein Ungeheuer, Blitze zuckten an dem rötlichen Himmel auf.
Die Luft, die durch das offene Fenster in den Wagen strömte, wurde etwas kühler, beinahe schon kalt; sie brachte den süßen, erfrischenden Geruch nach Regen mit sich. Marlie saß schweigend neben ihm und blickte auf das Gewitter. Die ersten Tropfen prasselten an die Windschutzscheibe, Dane hatte gerade noch Zeit, das Fenster zu schließen und die Scheibenwischer anzustellen, dann brach der Sturm über ihnen los.
Er musste beinahe im Schritttempo fahren, während um sie herum der Donner krachte und die Blitze zuckten. Andere, vorsichtigere Fahrer steuerten an den Straßenrand und suchten Schutz unter Brücken oder Überhängen. Einige wenige Wagehälse setzten die Fahrt fort, in das Herz des Gewitters hinein; um sie herum wurde es dunkel, das Licht der Scheinwerfer erhellte nur ein kurzes Stück der Straße vor ihnen.
Marlie saß bewegungslos da. Das Gewitter war so heftig, dass sie sich ganz leer fühlte, es nahm ihr jegliches Gefühl für ihr Ich und erfüllte sie statt dessen mit seiner Elektrizität. Sie wusste, dass sie sich vor dem Gewitter hätte fürchten sollen, doch das tat sie nicht. Die Großartigkeit erfüllte sie mit Staunen, und die freigesetzte Energie erfrischte sie.
Der Wagen war wie eine dunkle Höhle. Dane sprach nicht, und auch Marlie schwieg. Sie fühlte, dass Worte hier unnötig waren. Während sie sich in Sicherheit und im Trockenen befand, wüteten um sie herum die Elemente, der Regen trommelte aufs Dach, und der Wind schaukelte das Auto hin und her. Dane hielt das Lenkrad fest in seinen Händen, die Muskeln an seinen kräftigen Armen traten hervor, während er den Gewalten die Stirn bot. Marlie hatte keine Sekunde lang das Gefühl, in Gefahr zu sein. Sie war gut bei ihm aufgehoben!
Schließlich hatten sie das Gewitter hinter sich gelassen, der Donner verlief sich in der Ferne, noch immer zuckten Blitze über den Himmel. Es regnete weiter, doch das Hauptereignis war überstanden. Sie öffneten die Fenster einen Spalt und ließen die Frische in den Wagen.
Bei der nächsten Ausfahrt verließ Dane den Highway, wendete den Wagen und jagte jetzt dem Gewitter hinterher.
Marlie lehnte den Kopf zurück. Der Sturm hatte alles noch plastischer gemacht, nie zuvor hatte sie so etwas gefühlt. Ihr Herz schlug jetzt ruhig und kräftig, ihr Körper war schwer und pulsierte vor Leben. Sie wollte ihn, verlangte nach seiner Härte und seiner Leidenschaft, wollte ihn in sich fühlen. So nahe neben ihm spürte sie seine sexuelle Euphorie.. Seine Blicke waren auf die Straße vor ihnen gerichtet, doch seine ganze Aufmerksamkeit galt ihr; sie wusste, dass ihm keine ihrer Bewegungen entging, dass er jeden ihrer Atemzüge registrierte und den schwachen Duft ihres Körpers einatmete.
»Dane«, sagte sie. Dieses eine Wort vibrierte in der Dunkelheit.
Kleine Schweißtropfen standen auf seiner Stirn - immer wenn ihnen ein Wagen entgegenkam, sah sie es im Licht der Scheinwerfer. Hitzewellen gingen von seinem Körper aus. Erregung stieg in ihr auf, als sie sah, wie mühsam er sich beherrschte. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Bis jetzt war es ihm immer gelungen, sich zurückzuhalten, bis sie befriedigt war. Er hatte nach ihr verlangt, ehe sie das Haus verlassen hatten, und die Urgewalt des Gewitters hatte sein Verlangen noch gesteigert so wie das ihre.
Sie wollte ihn fragen, ob er sie liebte, doch es kam ihr nicht über die Lippen. Er lebte jetzt bei ihr, und wenn die sexuelle Anziehungskraft alles war, was er für sie übrig hatte, würde sich das schon bald herausstellen. Da sie nicht mehr als die Gegenwart haben konnte, wollte sie aufhören, sich Sorgen zu machen und ihr Dasein genießen. Ging es denn nicht darum im Leben? Hatte sie denn nichts gelernt aus all dem Schmerz, ihrem eigenen und dem der anderen? Niemand erhielt sein Leben, ohne zu leiden. Der Trick dabei war, aus dem Augenblick das Beste zu machen und die Gaben des Lebens zu ergreifen, wenn sie geboten wurden.
Sie streckte die Hand aus und fuhr dann mit einem Finger leicht über den Ansatz zwischen seinem Schenkel und seiner Leiste; sie fühlte, wie sich unter ihrer Berührung seine Muskeln anspannten. Seine Erektion war eisenhart, sie drängte sich gegen die viel zu enge Hose. Sanft streichelte sie darüber hin.
Schnaubend stieß er den Atem aus. »Hör auf, mich zu reizen«, warnte er.
»Ich will dich nicht nur reizen«, murmelte sie. »Es ist mir ernst.« Sie drängte die Hand zwischen seine Schenkel, stöhnend schob er ganz mechanisch seine Beine auseinander. Für einen Augenblick fuhr er langsamer, doch dann wurde der Wagen wieder schneller.
»Jetzt kann ich nicht anhalten«, meinte er gepresst »Dafür ist zu viel Verkehr.«
»Siehst du vielleicht irgendein praktisches Motel?« fragte sie zerstreut, weil sie sich ganz darauf konzentrierte, den Gürtel seiner Hose zu öffnen.
Es schüttelte ihn förmlich, er atmete tief ein und rückte sich so zurecht, dass ihre Hände mehr Platz hatten. Er wollte anhalten, doch gleichzeitig war er hilflos dem Ansturm der Sinne preisgegeben. »Ich habe keine Kondome bei mir.« Bis auf ihre erste Nacht hatte er jedesmal ein Kondom benutzt, wenn sie sich liebten. Doch in jener ersten Nacht hatte er an nichts anderes denken können als an sein Verlangen, in sie einzudringen. Hinterher war er erschrocken gewesen über seine Achtlosigkeit, so etwas war ihm noch nie passiert; seither hatte er stets Vorsorge walten lassen.
Marlie kam der Gedanke, an einer Drogerie anzuhalten, doch dann schob sie ihn wieder von sich. Sie wollte jetzt nicht abgelenkt werden, und er war nicht in der Verfassung, einen Laden zu betreten. »Dann fährst du am besten schneller«, riet sie ihm, während sie den Reißverschluss seiner Hose öffnete und die Hand hineinschob.
Ein Ächzen entrang sich seiner Brust. Sie genoss dieses Geräusch, genauso wie sie es genoss, ihn in ihrer Hand zu fühlen, wie er pulsierte und sich gegen den beengenden Stoff der Hose drängte. Sie wusste, einige schnelle, harte Bewegungen würden ihn zur Erfüllung führen, deshalb berührte sie ihn nur leicht, langsam fuhr ihre Hand auf und ab. Sein Gesicht war angespannt, als sie sich an ihn schmiegte und ihn auf das Kinn küsste Ihre Brüste drängten sich gegen seinen Arm, und sie fühlte, wie er deutlich zusammenzuckte.
»Dafür wirst du mir büßen«, warnte er sie.
Sie biss ihn ins Ohrläppchen. »Das klingt interessant. Weißt du schon, wie?«
Ihm fielen die verschiedensten Möglichkeiten ein, doch keine davon konnte er gleich hier im Auto ausprobieren. Er hoffte nur, dass er nicht wegen überhöhter Geschwindigkeit angehalten wurde, denn jetzt bekam er unter gar keinen Umständen seine Hose wieder zu. Sie streichelte ihn spielerisch weiter, sorgte dafür, dass seine Erregung nicht nachließ. »Macht dir das Spaß?« Seine Stimme blieb ihm zwischen den Zähnen stecken, so dass sie ihn kaum verstehen konnte.
»Außerordentlich.« Sie schob die Zungenspitze kurz in sein Ohr, und sein ganzer Körper begann zu beben. »Und ich habe nicht die Absicht aufzuhören. Fahr nur weiter.«
Das tat er. Er fuhr so schnell wie selten, mit einer verzweifelten Konzentration auf die Straße, die doch nicht genügte, um das, was sie mit ihm anstellte, zu ignorieren. Ein raues Lachen entrang sich seiner Kehle. »Du kleine Hexe, das behagt dir wohl sehr.«
Breit lächelte sie ihn an. »Natürlich tut es das. Sonst machst du mich immer verrückt. Was für ein Gefühl ist es, wenn du der ausgelieferte Partner bist?«
»Es ist ein Gefühl, als stürbe ich gleich«, keuchte er.
Sie sah sich um. »In fünf Minuten sind wir zu Hause. So lange kannst du doch noch durchhalten, nicht wahr?« Sie streichelte ihn noch immer, benutzte all ihr Wissen, das sie von seinem Körper hatte, um ihn weiter zu erregen. Sanft kitzelte sie ihn mit der Zungenspitze.
Er röchelte, sein ganzer Körper wölbte sich vor. »Vielleicht.«
Als sie endlich daheim ankamen, war er wild vor Verlangen, seine Hüften hoben sich jeder Bewegung ihrer Hand entgegen. Er zerrte sie aus dem Wagen ins Haus, wo sie zusammen in das Schlafzimmer stolperten und einander mit fliegender Hast entkleideten. Halb angezogen fielen sie auf das Bett. Dane gelang es gerade noch, ein Kondom überzustreifen, dann warf er sie auf den Bauch, seine Knie schoben ihre Beine auseinander, und er drang mit einem einzigen Stoß tief in sie ein.
Marlie krallte die Finger in die Laken, ihr Körper erbebte unter der Kraft seiner Stöße. Sie war genauso erregt wie er zuvor, als wäre sie diejenige, die so herrlich gequält worden war. Sie hob ihren Po, drängte sich gegen ihn, damit sie ihn noch weiter in sich aufnehmen konnte, obwohl das schier unmöglich schien. Er stöhnte auf bei jedem Kommen, wilde, gutturale Töne stieß er aus. Und dann zog sich sein Körper zusammen, noch einmal drängte er sich tief in sie hinein, bis sein Innerstes sich aufbäumte und er aufschrie, als der Höhepunkt der Erfüllung ihn in den Grundfesten erschütterte.
Kurz darauf legte er sich neben sie, seine Bewegungen waren unbeholfen und linkisch, sein kräftiger Körper zitterte noch immer. Heftig hob und senkte sich seine Brust, sie fühlte seinen hämmernden Herzschlag. »Allmächtige Güte«, stöhnte er. »Du hast mich beinahe umgebracht.«
»Wirklich?« raunte sie. »Ich dachte, es hätte dir gefallen. Aber wenn es dich wirklich gestört hat, werde ich es nicht wieder ... «
Er schob seine Hand in ihr Haar und drehte ihren Kopf so, dass er mit einem stürmischen Kuss alles Weitere erstickte. »Ich werde es männlich ertragen.«
»Mein Held«, flüsterte sie und knabberte an seiner Unterlippe, dann küsste sie ihn.
Ein tiefes Brummen stieg aus seiner Brust empor. Er drehte sie in seinen Armen herum und schob sich über sie. »Nun, meine Lady, wollen wir uns um dich kümmern.«
Und das tat er sehr ausführlich, bis sie erschöpft, matt und befriedigt in seinen Armen lag. Später ruhten sie nebeneinander in der Dunkelheit und lauschten dem Regen. Verträumt spielte sie mit dem krausen Haar auf seinem Oberkörper. Nach einer Weile gähnte sie. »Hast du die Wagentür zugemacht?«
Eiligst dachte er nach. »0 Teufel«, blaffte er dann und stürzte aus dem Bett. Kichernd lag sie in der Dunkelheit, während er seine Unterhose anzog und durch die Finsternis stolperte. Sie hörte, wie die Haustür geöffnet und eine Sekunde später wieder geschlossen wurde. Im nächsten Augenblick war er zurück. »Jawohl, das habe ich, du Frechdachs«, brummte er.
»Nun ja, ich konnte mich nicht mehr daran erinnern.«
Er lachte leise. »Ich auch nicht.« Er zog die Hose wieder aus und kroch zu ihr ins Bett. Seufzend umschlang er sie. »Wenn das alles vorbei ist«, murmelte er in ihr Haar, »dann werden wir Urlaub brauchen. Wohin möchtest du lieber, in die Berge oder an den Strand?«
Ihr Herz tat einen kleinen, glücklichen Sprung. Zum ersten Mal hatte er von einer gemeinsamen Zukunft gesprochen, selbst wenn es etwas so Alltägliches war wie ein Urlaubsvorhaben. »Wir leben hier in Florida«, antwortete sie. »An den Strand können wir jederzeit gehen.«
»Also fahren wir in die Berge. Wir werden uns eine Hütte mieten mit einem heißen Whirlpool, dann ziehen wir uns nackt aus, tauchen unter und erschrecken die Eichhörnchen.«
»Einverstanden.«
Das Telefon läutete, Dane streckte den Arm aus nach dem Hörer. »Hollister«, meldete er sich. Marlie lag in seinen Armen, deshalb fühlte sie auch, wie er bretthart wurde. Er setzte sich auf und schwang die Beine aus dem Bett. »Okay, okay, ich bin in einer Viertelstunde da. Seht zu, dass ihr die Medien davon abhaltet, die Stadt in Hysterie zu versetzen.«
Er legte auf und knipste das Licht an. »Es hat wieder einen Mord durch Erstechen gegeben«, erklärte er und zog sich hastig an.
Marlie fuhr hoch - Angst beschlich sie, als sie sich daran erinnerte, wie sie heute Mittag gefühlt hatte, dass sich der Täter ein neues Opfer suchte. Sie und Dane waren aus der Stadt gefahren; waren sie zu weit weg gewesen, um die Energiestrahlen des Täters aufzunehmen? Hatte derselbe Unhold nochmals zugeschlagen, und sie hatte es nicht wahrnehmen können?